"Selten, - aber es soll vorkommen
- gehe ich an ein Konzert nach Zürich. Zürich war für
mich immer schon der Inbegriff von Hyper-Styling. Eine hypergestylte
Stadt mit hypergestylten Leuten. Dort scheinen nicht nur sämtliche
Bürohäschen fünf Zentimeter längere Absätze
und fünf Zentimeter kürzere Röckchen zu tragen, - auch
das Konzertpublikum präsentiert sich ausschliesslich im sichtlich
ausgefallenen Individualitäts-Einheits-Look. Schwarz und die
extrem schrillen Accessoires herrschen vor. Zugegeben, dem Bauern
klappt ob diesem Anblick die Kinnlade nach unten und wirft verstohlene
Blicke auf vielen Leute, die seine Anwesenheit und sein ungelenkes
Benehmen mit Ignoranz oder höchstens einem spöttischen Lächeln
quittieren. Dem Provinzler zieht ein leiser Hauch der grossen und
weiten Welt durch die Nase. Ein bisschen beginnt er zu ahnen wie es
sein muss, frei und wirklich anders zu sein. Spätestens nach
einer Viertelstunde jedoch machen sich erste Zweifel an seiner schnell
gefassten Vorstellung bemerkbar, denn er stellt fest, dass auch hier
das Gefühl von Freiheit nicht länger als eine Zigarette
andauert. Es passiert absolut nichts - man wartet, wie gesagt. Vielleicht
könnte man meinen (unser Bauer tut dies), dass das Warten dem
Konzertbeginn gälte. Steht dann aber die Band auf der Bühne,
hat sich am Bild überhaupt nichts geändert.
Den leeren Gesichtern sieht man an, dass man sich angestrengt einredet,
wichtig und bedeutsam zu sein. Nur drei Dinge scheinen auf der Welt
wirklich zu zählen: Dem Ritus des Zigaretten-aus-der-Schachtel-holen-und-anzündens
zu huldigen, Leute zu kennen (leichtes Kopfnicken nach links und rechts),
- und ein Bierchen zu trinken... Du weisst ja, man braucht das irgendwie
in unsern Zeiten. Die Bands sind meist schlecht und man kann sich
nur schwerlich ans letzte Mal erinnern, als man getanzt und geschwitzt
hat. Die Langeweile weicht auch dann nicht, wenn drei Meter nebenan
von einem Dutzend der allgegenwärtigen Punkepigonen mit Nietengürteln
und Nagelschuhen auf eine weinend am Boden liegende Frau einschlagen
wird. Nur schon, weil man ja kein Hippie ist und sich über ein
aufgeklärtes Verhältnis gegenüber der Gewaltfrage ausweisen
kann. Unser Bauer beginnt sich plötzlich in seine so oft geschmähte
Dorfdisco zurückzuziehen und ist froh, als das Konzert bald zu
Ende ist. Enttäuscht klemmt er sich zu seinen Bauernfreunden
in den klapprigen Datsun und fährt in sein Dorf zurück."
(Stephan Ramming aus Thayngen SH, 'Tell' 14/83)