2011
Illegale Partys
Über 50 legale Partys bietet Zürich an einem einzigen Wochenendabend. Diesen Überfluss verschmähen viele Nachtschwärmer, wenn in Kellern oder unter Autobahnbrücken ein illegales Fest steigt. Obwohl dort Soundqualität, sanitäre Versorgung und Getränkeauswahl nicht zwingend überzeugen. [...] Doch der Hauptgrund, weshalb die Illegalen auch dann nicht aus Zürich verschwinden würden, wenn es hier 200 Clubs gäbe, die alle keinen Eintritt verlangten, heisst Tradition. Die momentan reiche Partykultur ist aus verrauchten Kellern gewachsen, und diese Wurzeln haben viele nicht vergessen. Auch dank der Untergrundbewegung ist Zürich heute eine Stadt, in der es um Mitternacht nicht Lichterlöschen heisst, eine Stadt, die Reiseführer als «hedonistisch» und «voller Lebensqualität» preisen.
(Beat Metzler, Tages-Anzeiger, 3.8.2011)
Es waren Tausende von SMS, die ab Samstagabend zwischen Zürcher Jugendlichen hin- und herschwirrten und bis 23 Uhr zur Lawine wurden. Kernaussage: Am Bellevue steigt eine «fette Party», schickt das SMS weiter, aber ja nichts auf Facebook posten! Zumindest ein SMS ging auch an die Polizei. Nur friedlich war die Absicht der Organisatoren nicht. «Weil die Stapo unsere alte Party gestürmt hat, gibts nun eine Racheaktion mitten am Bellevue», steht im SMS. Gemeint war die Auflösung einer illegalen Party im Sommer. Die Mobilisierung funktionierte: Gemäss Stadtpolizei fanden sich kurz vor 23 Uhr zwischen Bellevue und Bahnhof Stadelhofen über 1000 grösstenteils jugendliche Personen ein.
(Ruedi Baumann, Tages-Anzeiger, 12.9.2011)
Zweifellos jammert, nicht nur im Vergleich zum kleinbürgerlich-repressiven Umfeld der Achtziger, auf hohem Niveau, wer heute fehlende Freiräume moniert. Und doch wäre es zu simpel, die Klagen ganz abzutun. Erstens werden Jugendliche zwischen verbreitetem Laisser-faire der Gesellschaft und teilweise hilflosen Versuchen der Behörden, Auswüchse mit neuen Regeln und Kontrollen einzudämmen, in ein merkwürdiges Spannungsfeld befördert. Zweitens könnten die Rufe auch als Zeichen allgemeiner Übersättigung gelten. Im Umfeld illegaler Partys ist etwa der Vorwurf zu hören, die etablierte Szene sei zu kommerzialisiert und öde. Hatte der Besuch von Klubs einst den Anstrich des Experimentellen, ja Abenteuerlichen, ist er nun zum Massenphänomen geworden und somit zur Routine.
(Urs Bühler, NZZ, 1.10.2011)
18 Uhr, Kino Razzia im Seefeld. Der rote Teppich wird ausgerollt, die Securitys in gelben Westen postieren sich. Ein Tisch wird aufgestellt, und zwei anständig gekleidete Personen stellen sich mit Listen vor die Tür. Kein ungewöhnliches Bild für das ehemalige Kino, das bis im September für kulturelle Veranstaltungen zwischengenutzt wurde. [...] «Mitenand nöd gägenand» - dieser Spruch ziert das aufgespannte Spruchband vor dem Eingang. «Das ist unser Motto», erklärt «Herr Keller» und zeigt auf das Transparent, «nach den jüngsten Ausschreitungen anlässlich illegaler Partys versuchen wir in einem Pilotprojekt ein neues Partykonzept. Wir arbeiten mit Leuten aus der Subkultur zusammen und lassen diese gewähren. Die Subkultur ist unglaublich wichtig. Aus ihr spriesst die ganze Kulturszene.»
(Nuria Furrer, Tages-Anzeiger, 22.10.2011)