Definitiv

DEFINITV

 

2000

Zürich-West

 

Zürich-West

Mittlerweile, so scheint es, ist auch das Mittelmeer in Zürich angekommen. Ein stolz gehegter Luxusdampfer liegt seit zwei Monaten im Hafen und jagt die Stadt aus dem Häuschen: der Schiffbau, das neue Zentrum des Schauspielhauses, das der hauseigenen Traditionsbühne am Pfauen spielend den Rang abläuft. Medien, Publikum, Kulturverwalter und Sponsoren sind euphorisch. [...] Doch der Boom, der in Zürich-West ausgebrochen ist und sich dem Ruf als neue «Kulturmeile» verdankt, hat die Bodenpreise seit Anfang Jahr vervielfacht. Da ist es rentabler, leer stehende Industriebauten nicht zu vermieten, sondern flexibel zu halten, damit man sie rasch verkaufen kann, wenn ein geeigneter Interessent auftaucht. Sonst muss man sich nur mit Mietern herumschlagen, die Fristerstreckungen anstreben könnten. [...] So kommt es zu einer paradoxen Situation: Kunst- und Partyorganisatoren, die in Zürich seit längerem kontinuierliche Aufbauarbeit leisten, finden keine geeigneten Räume mehr oder können dringend benötigte Gelder nicht auftreiben. Am finanziell wohlgepolsterten Schauspielhaus dagegen planen Kuratoren, die mit der spezifisch zürcherischen Situation noch völlig unvertraut sind, auf Klubkultur zu machen.
(Thomas Kramer, Tages-Anzeiger, 25.11.2000)

Eine Zürcher Nachtschwärmerecke von fast schon ehrwürdiger Tradition ist die Geroldstrasse, da, wo eine Betonauffahrt auf die Hardbrücke führt. Neuster Nacht- und Wochenendtreff ist dort der Klub Spidergalaxy (Geroldstr. 15), unter tanzfreudigen Szenegängern längst etabliert sind Supermarket (Geroldstr. 17) mit Garagen-Feeling und UG (Geroldstr. 5), wo einst die Katakombe den Kellerklub-Charme begründet hatte. Weiter stadtauswärts konsolidiert sich eine buntscheckige Klubszene unterschiedlichster Stile: Das Downstairs (Hardturmstr. 175) hat sich den lateinamerikanischen Rhythmen verschrieben und macht zwischendurch «Familiendisco». Ganz neu und unerforscht ist der Scream Club (Hardturmstr. 171). Das Matrix (Förrlibuckstr. 151) gibt sich als Lounge und entsprechend elegant.
(NZZ, 22.9.2000)

«Die Polizei ist heute im Kreis 5 viel präsenter als früher», klagt der Verantwortliche eines anderen illegalen Lokals. Das habe damit zu tun, dass das Quartier sich zum Ausgehviertel eines jungen Szenepublikums entwickelt hat. Gleicher Meinung sind andere Klubbetreiber und Partyorganisatoren, unter ihnen Etienne Rainer: «Wir stellen mit Besorgnis fest, dass die Polizei im Kreis 5 rigoros gegen jede Art von halblegalen Institutionen vorgeht. Weil das Gastgewerbegesetz nicht mehr greift, stützt sie sich einfach auf wirtschafts- und feuerpolizeiliche Vorschriften.»
(Lukas Häuptli, Tages-Anzeiger, 15.5.2000)

Wenn Zürich etwas abgeht, dann sicher nicht die allumfassende, Microscooter-bewehrte und Handy-gesättigte Geschäftigkeit. Sondern das Gegenteil: grosse, urbane, vor sich her witternde Flächen, die nicht durchgestylt sind. Härten der Moderne – der Zürcher versteht darunter, dass das Tram fünf Minuten zu spät kommt, weil nasse Herbstblätter die Schienen verstopft haben. Kein Wunder, ist er versessen auf unwirtliche Orte. Er blüht auf angesichts der vielspurigen Überführung, die vom Escher-Wyss-Platz aus das Industrieareal quert. Loft-Atmosphäre. Moderner Wohnbau im Trendquartier Zürich West. Putzige Josefstrassen-Multikulturalität. Abgeschlaffte Junkies und aufdringliche Dealer um die Langstrassenunterführung: All das montiert der Zürcher zum Beweis, dass Zürich nächstens zu New York aufschliesst. Nervig bisweilen, dieses permanente Schielen auf die wirklich Grossen.
(Thomas Widmer, Facts, 2.11.2000)

soundtrack

Content on this page requires a newer version of Adobe Flash Player.

Get Adobe Flash player

People Of The Sun Pt. 1 03:37 Freeform Arkestra

Content on this page requires a newer version of Adobe Flash Player.

Get Adobe Flash player

Snowblind 06:17 Minus 8

Content on this page requires a newer version of Adobe Flash Player.

Get Adobe Flash player

Wänn 03:27 Bligg'n'Lexx