1990
Freiräume
(Fabrikzeitung, März 1987)
"Die erkämpften Freiräume haben eine Kulturmassenhysterie
ausgelöst. Zu Tausenden hocken die Zürcher jetzt an warmen
Sommerabenden am See und gucken Filmspektakel, Theaterspektakel
und andere Spektakel. Man/frau glaubt es kaum, aber zu Beginn der
Achtziger Jahre war es unmöglich, einem Zürcher Beamten
oder einer Zürcher Beamtin verständlich zu machen, dass
es schön ist, warme Sommernächte mit Kulturangeboten im
Freien zu verbringen. Erst jahrelanges illegales Vorleben hat die
Demokratisierung solcher Vergnügungen eingeleitet."
(Stefan Hose, Einezwänzgi, Oktober 1989)
"Selber schuld, wer sich tagsüber rauswagt, ich bleibe
bis abends im Bett und schleiche mich dann in einer der angenehm
feucht-kühlen Kellerbars, die heuer aus dem Boden schiessen,
wie Spargel im Frühling. Tut mir leid, Adressen kann ich hier
keine nennen, sind doch diese orte der Lust im Dschungel der Illegalität
angesiedelt und die Öffnungszeiten sind genauso variabel wie
die Temperatur des ausgeschenkten Bieres."
(Christoph Schuler, Nizza, September 1989)
"Dass hier [im Kanzlei] Kultur ganz praktisch nützlich,
sozusagen "Lebenshilfe" wird, dass Verkehrsfragen und
Wohnungsnot, die Probleme von Kindern, von Frauen, von Ausländern
und Asylanten hier die gleiche Rolle spielen wie die Fragen nach
den neuesten künstlerischen Errungenschaften, dass kulturelle,
soziale und politische Aktivitäten nicht bloss nebeneinander
existieren, sondern bewusst, gewollt und gefördert ineinanderfliessen,
macht diese Kultur suspekt."
(Christian Rentsch, Tages-Anzeiger, 28.4.1990)
"Vielleicht zieht sich doch irgendwann eine Band kollektiv
in ein Bauernhaus zurück, um von dort aus grossfamilienmässig
musikalisch und konzeptionell tätig zu werden. Doch auch für
einige StädterInnen hat sich eine ganzheitliche Alternative
zur zerknirschten Passivität gezeigt und bewährt: Das
Besetzen von leer stehenden Häusern. Eine meistens nur vorübergehende
Lösung, so wurden z.B. erst kürzlich die Hardcörler
Fleisch aus ihrem Refugium im ehemaligen Chrischona-Heim "BERGLI"
vertrieben, doch die Magie, die von solchen Häusern ausgeht,
entschädigt zum Teil x-fach für die ungewisse Zeitspanne."
(Räto Jost, Fabrikzeitung, Juli 1991)